Seit Anfang Februar gibt’s in Zürich ein Fundbüro für Nicht-Materielles. Eine ganznette Aktion zwischen Kunst, Philosophie und Begegnungszone.
Der Pavillon auf dem Werdmühleplatz hat eine neue Bestimmung gefunden: Aktuell ist er Stadtlabor, Bühne und Traumfabrik – und beherbergt bis Ende des Jahres auch ein „Fundbüro2“, das erste Fundbüro für Nicht-Materielles. Online können im „Fundbüro2“ jederzeit vermisste und gefundene Gefühle gemeldet werden. Tolle Sache, darüber wollte ich unbedingt mehr erfahren. Die wundervolle Mit-Initiantin Andrea Keller sinniert im Interview über gefundene Zeit und Herzen und wiedergewonnene Sanftmütigkeit.

So toll, dass es euch gibt! Jetzt kann ich jedes Mal, wenn ich beispielsweise die Geduld verliere, zu euch kommen. Gibt’s denn eine Geduld-zurück-Garantie?
Hast du die wirklich verloren? Dann solltest du unbedingt eine Meldung machen. Wenn du aufgrund deines Verlustes nicht bis zum nächsten Schalter-Samstag warten magst, kannst du das Formular auch jederzeit im Netz ausfüllen. Leider können wir dir aber deine Geduld nicht einfach so zurückgeben. Die Idee ist vielmehr, dass du über deinen Verlust nachdenkst und auch angibst, wann dir etwas abhanden gekommen ist und wo. Sollte dann tatsächlich jemand Geduld finden und das melden, verbinden wir euch gegebenenfalls miteinander und laden zum Austausch ein. Diese Möglichkeit besteht.
Ok, dann besteht für meine Geduld noch Hoffnung. Zeichnet sich nach der ersten Schalteröffnung schon eine Tendenz ab, was Zürcherinnen und Zürcher am ehesten verlieren?
Es ist noch ein bisschen früh, um die Meldungen statistisch auszuwerten. Was ich aber sagen kann, ist, dass Liebe und Zeit eine prominente Rolle einnehmen. Beides geht nicht nur verloren, sondern wird auch gefunden. Eine Person hat beispielsweise einen halben Tag Zeit gefunden. Diesen will sie einem Menschen zur Verfügung stellen, der Hilfe oder ein offenes Ohr gebrauchen kann. Das hat mich berührt.
Was ist das Ausgefallenste, was Zürcherinnen und Zürcher bisher gefunden haben?
Ein Mann hat eine Feedbackschleife des Universums gefunden. Seine Meldung: „Immer wenn ich auf die Uhr schaue, sehe ich: 11:11, 21:21, 20:20, 13:31 etc. Fühlt sich an wie ein Zeichen vom Universum, dass ich auf gutem Kurs bin, dass alles ok ist auf meinem Weg. Innerer Frieden.“ Ich hab mich gefreut, weil ich selber auch jedes Mal gedanklich eine Tischbombe zünde, wenn mir das Uhrendisplay 22:22 anzeigt. Und seit ich die Meldung gelesen habe, weiss ich, dass es da draussen noch jemanden gibt, den solche Ziffern entzücken.
Verlieren die Leute eher, als dass sie etwas finden? Wie ist das Verhältnis?
Über den Daumen gepeilt würde ich sagen, dass sich rund zwei Drittel der Meldungen auf Verlorenes beziehen, ein Drittel auf Gefundenes. Aber manchmal ist auch eine Verlust-Meldung positiv: So hat beispielsweise ein Besucher die Bereitschaft verloren, sich in einer Beziehung schlecht behandeln zu lassen. Diese Bereitschaft will er natürlich nicht wieder haben – aber vielleicht gelingt es uns, mit seiner Meldung anderen Mut machen, aus ungesunden Konstellationen auszubrechen.
Im Projektbeschrieb des „Fundbüro2“ schreibst du, dass du die Hoffnung verloren hast, noch etwas Grosses zu bewirken. Hast du diese Hoffnung inzwischen wiedergefunden?
Als Teenager war ich überzeugt, dass jeder von uns eine ganz bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat, bevor er sterben kann. Mittlerweile bezweifle ich, dass meine persönliche Aufgabe klar vorgegeben und auch irgendwie gross und bedeutsam sein soll. Wobei sich natürlich die Frage stellt: Wann ist denn etwas gross? Wann bedeutsam? Und für wen? Wenn ich und Patrick Bolle mit unserem „Fundbüro2“ einzelnen Menschen etwas geben können, sie anregen, etwas in Bewegung bringen damit, auch im Kleinen, dann ist das grossartig. Zweifelsohne. Aber ich bin sehr viel sanftmütiger geworden, was die Erwartungen an mich selber angeht und finde: Ich hätte auch dann ein Recht, auf dieser Welt zu sein, wenn ich nur vor dem Fernseher sitzen und gar nichts tun würde.
Also, ihr lieben Leute da draussen: Solltet ihr etwas gefunden oder verloren haben, kommt doch zum Fundbüro 2 am 4. März. Als Gastbeamter wird euch der Theater- und Filmregisseur Samuel Schwarz begrüssen. Wer nicht bis März warten will, gibt seine Fund- oder Verlustmeldung einfach online auf.
Fundbüro 2:
Pavillon Werdmühleplatz, Zürich
Schalteröffnungszeiten: 14 bis 18 Uhr
https://www.fundbuero2.ch/